An Karl Lagerfeld

Verehrter Lagerfeld,
lieber Karl,

Ich weiß, ihr seid dem vertrauten Ton eher abhold; ich versuche es dennoch, denn ich kenne Euch schon so lange. Als Künstler, Fotograf und Autor passt ihr zudem gut zu den Adressaten, an die ich mich hier gerne Wende.

Der eigentliche Grund für meinen Brief ist ein Buch des Berliner Dramaturgen John von Düffel, der in einem fiktiven Gespräch mit Euch über die Unsterblichkeit nachdenkt. Es war allerdings weniger das esoterische, das mich anzog, sondern Eure Gedanken zur Fotografie.

In Paris

„Wenn alle Fotografen sind, überall, zu jeder Zeit, dann ist keiner Fotograf und nichts Fotografie. Das Fotografieren hat die Fotografie vernichtet“, heißt es da an einer Stelle. Ihr wisst gar nicht, wie Recht ihr habt. Wenn man heute mit so etwas altmodischen, wie einer Kamera, sogar noch einer recht schweren und großen, durch die Straßen der Stadt zieht, erntet man kritische Blicke. Menschen fragen sich: „Was will der denn?“ und dabei denken Sie „Verletzt der etwa mein Recht am Bild.“ Gleichzeitig werden an jeder Straßenecke die Handys zum Fotografieren gezückt und Menschen posieren in den unmöglichsten Posen an den unmöglichsten Orten mit einem insta-gerechten Grinsen.

„Was wir Bilder nennen, sind keine Ansichten von irgendetwas, sondern Übergriffe. Sie legen sich wie ein Schmierfilm über alles. Die Würde des Fotografierten ist ein Gerücht aus der Vergangenheit.“

Mein Eindruck ist, das Fotografen und Fotografierte diese Würde herzlich egal ist, außer der Fotograf oder die Fotografin hält eine professionelle Kamera in der Hand. Dann ist das Ganze äußerst verdächtig. Die Bilder, die vom letzten Spaziergang, dem Sonnen im Garten, von Kaffee und Kuchen mit Mama gepostet werden, sind nicht nur albern, sie sind peinlich. Die Familienbilder meiner Kindheit haben einen gewissen Charme, sogar eine ganz eigene Würde.

Bei den heutigen Fotografien, kann ich mich Ihrem fiktiven Satz nur anschließen: „Um wieder gucken zu können, brauchen wir ein Bildersterben. Ich bitte Gott darum. Doch das wird nicht passieren.

Leider teile ich auch Ihren Pessimismus.

Wie immer mit herzlichen Grüßen.

 

PS.: Ich weiß, dass Haute Couture kein Käse ist

Mehr zu meiner Arbeit als Fotograf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert