An Octavio Paz

Lieber Octavio Paz,

es ist mehr als dreißig Jahre her, dass ich in Eurer Heimat Mexico war. Das Land hat sich verändert. Es ist gewalttätiger geworden, Korruption und Kapitalismus halten einander die Hand, die Schönheit der Kultur, die Freundlichkeit der Menschen, eine grandiose Küche – das sei mir als Koch erlaubt zu sagen – verschwindet im Staub.

Euer Werk begleitet mich seit Jahrzehnten und war mir einst, gemeinsam mit Carlos Fuentes Roman La región más transparente ein Schlüssel zum Verständnis Mexicos. Ich weiß, Euer Essay El laberinto de la soledad gilt als ebenso wichtig, mich hat jedoch das Bild des Lichtes, jenes durchscheinenden Lichtes, dass man außerhalb des Smogs von Mexico Ciudad noch wahrnehmen kann, in den Bann gezogen. Ich fand es wieder in einem Vers Eures Gedichtes En Uxmal:

La hora es transparente:
vemos, si es invisible el pájaro,
el color de su canto.

Die Suche nach der Farbe des Gesanges, die Suche nach der Farbe von Musik fasziniert mich. Manche Menschen haben die Gabe der Synästhesie: sie können Töne als Farben wahrnehmen. Mir ist das nicht gegeben und doch verbinde ich Töne oft mit Farben und Bildern.

Der unsichtbare Vogel stellt für mich ein Sinnbild dar, für das, was ihr unserem von Rationalismus und dem vermeintlichen Bemühen Entwicklungen mit Hilfe von Verboten und Regeln zu verhindern entgegenstellt: Die Poesie.  Ihr seht in ihr die Chance eines Gegenentwurfs zu unserer beschränkten Sichtweise der Welt.

Kommend von einem Mann wie euch, verehrter Octavio Paz, einem umfassend gebildeten Polyhistor, macht es mir Mut weiter meinen eigenen Weg zu gehen und den Unsinn, der in den letzten Jahren main stream geworden ist, zu ignorieren.

Gracias.

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An Hilde Domin

Liebe Hilde Domin,
Wir hätten uns beinahe einmal kennengelernt. Doch wirklich. Vor mehr als 20 Jahren. Mein Doktorvater hat Sie für »Literatur in Bayern« besucht und wollte mich als Fotograf dabeihaben. Am Ende begleitete ihn dann doch wieder eine Assistentin. Ich hätte Sie gerne fotografisch porträtiert. Die Tiefe Ihrer Gedichte in Ihren Augen gesucht und die Wahrheiten in den Linien Ihres Gesichts.
Ihre Worte, Ihre Gedanken begleiten mich, wie die Wisława Szymborskas, seit langem. So lange man noch reisen konnte, auch auf den Wegen zu Fremden und Freunden, zu Unbekanntem und allzu Bekanntem.
»Man muss weggehen können
und doch sein wie ein Baum
als bliebe die Wurzel im Boden,
als zöge die Landschaft und wir ständen fest.«
Es ist die innewohnende Liebe, die ich in Ihren Gedichten spüre.
Warum ich Ihnen gerade heute schreibe?
Weil ich vor einigen Jahren an genau diesem Tag beinahe eine Riesendummheit begangen hätte und mich ein Engel davor bewahrte. Dafür bin ich dankbar.
Glauben Sie an Engel?
»Man muss den Atem anhalten,
bis der Wind nachlässt
Und die fremde Luft um uns zu kreisen beginnt,
bis das Spiel von Licht und Schatten,
von Grün und Blau,
die alten Muster zeigt
Und wir zuhause sind,

wo Immer es auch sei

…«

Dieser Engel steht mir immer noch zu Seite und heute ist ein guter Tag, sich daran zu erinnern.
Herzlichst,
Thomas Michael Glaw
PS.: Sie wundern sich über das Bild? Das Licht des Bodensees ist besonders und es erinnert mich an eine glückliche Woche in einem alten Fachwerkhaus, während ich einen Roman beendete.

An Thomas Mann

München - Siegestor

Verehrter Thomas Mann,
lieber Zauberer,

in diesen Tagen, schwankend zwischen abstumpfender Langeweile und hektischer Betriebsamkeit, greife ich immer wieder einmal zu Euren Romanen und Erzählungen. Es ist vor allem der Zauberberg, der es mir seit Jahrzehnten angetan hat und zu dessen wunderbar eingängigen Persönlichkeiten ich immer wieder zurückkehre.

Auch Gladius Dei, jene Novelle, der die Stadt München das so werbewirksam vermarktete Prädikat „München leuchtet“ entnahm, lässt einen Wahlmünchner wie mich nicht unberührt. Ich weiß natürlich, verehrter Zauberer, dass Ihr damit ein ironisches Bild auf den Kunstbetrieb im Allgemeinen, vor allem im München an der Schwelle zum 20. Jahrhundert entworfen habt. In der heutigen Zeit erinnert mich Euer Hieronymus nicht mehr so sehr an Girolamo Savonarola, mit dem er mehr als nur den Vornamen teilt, sondern eher an die vielen Bußprediger, die das Internet, vor allem auf Deutsch, bevölkern.

Darf ich Euch eine Anekdote aus dem Berlin der 1920er Jahre erzählen? Als Monty Jacobs das Feuilleton der Vossischen Zeitung übernahm, drehte er sich nach der ersten Besprechung mit seinen Redakteuren an der Türe noch einmal um und sagte: „Und noch eins, meine Herren! Hierzulande Ironie cursiv!“

Wir mögen eine Woche der Meinungsfreiheit haben, eine nicht geringe Zahl von Leuten billigt diese Freiheit nur noch denjenigen zu, die ihre, als politisch korrekt erkannte, eigene Meinung bestätigen. Unsere Volksvertreter hingegen scheinen eher Eure „Betrachtungen eines Unpolitischen“ im Bücherschrank zu haben. «Ich will nicht Politik. Ich will Sachlichkeit, Ordnung, Anstand… Ich bekenne mich tief überzeugt, … daß der vielverschriene deutsche ‚Obrigkeitsstaat‘ die dem deutschen Volk angemessene, zukömmliche und von ihm im Grunde gewollte Staatsform ist und bleibt…», schriebt Ihr. Ihr werdet verstehen, verehrter Zauberer, dass ich Euch da nicht folgen kann. So mancher Politiker der Jetztzeit hingegen schon.

Ich halte es da, ehrlich gesagt, eher mit Eurem Bruder Heinrich, von dem ich letzte Woche einige schöne antiquarische Werke erwarb: „Geist ist Tat, die für den Menschen geschieht; – und so sei der Politiker Geist, und der Geistige handle!“

In diesem Sinne
Ihr
Thomas Michael Glaw

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An Karl Marx

Lieber Marx,

hätten Sie gedacht, dass einmal jemand eine solche Straße nach Ihnen benennen würde? Vermutlich nicht. Eigentlich wurde sie auch nach einem Georgier namens Dschugaschwili, den wir heute eher unter seinem Kampfnamen Stalin kennen, benannt. Einem Mann, der Millionen Menschen auf dem Gewissen hat, darunter nicht wenige deutsche Kriegsgefangene.

Aber ich schreibe Ihnen nicht, um mich auf ein Gespräch zur Architekturkritik einzulassen. Sie waren ein umfassend gebildeter Mann, lieber Marx, sicherlich könnte ein solches Gespräch, wenn man Ihre heutige Position betrachtet, überaus interessant sein. Wieso ich diese Woche ausgerechnet auf Sie komme? Ich habe wieder einmal einen Blick auf das kommunistische Manifest geworfen. Ihr Meisterwerk, „Das Kapital“ muss ich bei Gelegenheit neu erwerben, denn ich ließ es vor ein paar Jahren in der Pampa zurück, wo es zwar keiner je lesen wird, es sich aber sicher überaus dekorativ in dunkelblau und gold im Bücherschrank macht.

Wissen Sie, lieber Marx, mir macht die Linke Sorgen. Sie meinen, ich, als Liberaler, sollte doch eher froh über ihren desolaten Zustand sein? Sie missverstehen mich, verehrter Meister. Ich bin in der Tat kein Freund staatlicher Übergriffigkeit, wie es das bayerische boy-wonder gerade demonstriert. Ich glaube an das Selbstbestimmungsrecht des Menschen, an „life, liberty and the pursuit of happiness“, wie es sich die Amerikaner in ihre Unabhängigkeitserklärung hineingeschrieben haben. Allerdings bin ich auch davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft die Aufgabe haben, die Schwachen zu stützen, Chancengleichheit herzustellen und vor allen Dingen jedem (und jeder, in diesen gegenderten Zeiten) den Zugang zu Bildung nicht nur zu ermöglichen, sondern sie oder ihn auch dabei zu unterstützen.

Und was tun Ihre Jünger, lieber Marx?

Sie kümmern sich um Fragen des Lebensstils, der Konsumgewohnheiten und verteilen moralische Haltungsnoten. Fleiß, Leistung und Anstrengung sind eher uncool. Natürlich ist eine diskriminierungsfreie Welt ein hehres Ziel, nur geht das für die meisten Leute über Löhne, Renten und die Arbeitslosenversicherung und nicht über sprachlich fragwürdige Vehikel. Wenn ich lese, dass Ihre heutigen Gesinnungsgenossen meine Ehefrau als „cis-Frau“ bezeichnen, weil sie keine Transsexuelle ist, geht mir die Baskenmütze hoch, wenn Sie mir diese etwas abgedroschene Metapher verzeihen. Einmal davon abgesehen, dass ich Cis Dur schon wegen der sieben Kreuze nie sonderlich mochte.

Sagen Sie, lieber Marx, könnten Sie nicht etwas unternehmen aus Ihrer höheren Warte? Schicken Sie doch ein paar unserer Life Style Linken aus München mal nach Gelsenkirchen oder in bestimmte Stadtteile von Dortmund. Nein, lassen Sie es lieber. Die müssten dann, trotz Corona, schnell einen Wellness Meditationsurlaub auf den Seychellen einlegen. Und natürlich würden sie ein paar Euro für den Co2 Ausgleich ihres Business Class Fluges abdrücken.

Die Revolution hat schon immer ihre Kinder gefressen. Das fatale an den heutigen Revolutionären ist, dass sie am liebsten auf Kosten anderer speisen.

In diesem Sinne,
Ihr
Thomas Michael Glaw

PS.: Wie ist denn so das Manna heutzutage 🙂 Für eine Maß müßten’s halt … Ich bin sicher die bayerische Staatsregierung hätte auch heute noch den einen oder anderen guten Ratschlag bitter nötig.

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An Giovannino Guareschi

Lieber Guareschi,

Ai Wei Wei schrieb vor einigen Wochen, Spaghetti und die Pandemie hätten eines gemeinsam: die Chinesen hätte sie erfunden und die Italiener verbreitet.

Ich verstehe durchaus, dass diese Aussage nicht Euren Beifall findet.

Wann immer ich auf einen Teller Pasta blicke, werde ich an die „mondo piccolo“ erinnert, jene kleine Welt, in der Ihre Geschichten spielen. Ich habe Ihre Hauptprotagonisten vor Augen, den Pfarrer Don Camillo und den Kommunisten Giuseppe Botazzi, genannt Peppone. Ich gestehe, dass die filmische Version mein eigenes Bild Ihrer Romane überlagert, so wie ich sie in „Don Camillo e i giovani d’oggi,“ einem der ersten Bücher, das ich auf Italienisch las, kennenlernte. Es folgten viele andere Autoren, Eure Gestalten, lieber Guareschi, begleiteten mich jedoch ein Leben lang.

Eure kleine Welt deckt sich in vieler Hinsicht mit meiner. Die meisten Morde passieren im familiären Umfeld – selbst wenn wir die Schwiegermütter herausrechnen. In meinen Romanen wurden, zumindest bislang, keine Schwiegermütter ermordet, zumal ich eine der besten erwischt habe, die gerade verfügbar waren.

Nach Max Weber liegen die Herausforderungen der kommenden Jahre in Kapitalismus, Individualismus und Demokratie. Er hat Recht, lieber Guareschi, auch wenn man heute mehr über ihn redet und ihn kaum mehr einer liest. Cancel Culture, Safe Spaces, und dass man Menschen zum Schweigen bringen will, weil sie etwas zu sagen haben, das man nicht hören will, sind auch Ausdruck dieser Herausforderungen. Leider dringt all das auch vermehrt in unsere kleinen Welten ein.

Pasta auf dem Teller eines hungrigen Priesters, eines hungrigen Bürgermeisters. Rotwein in einem kleinen Glas. Beide versuchen, die Welt, ihre kleine Welt, ein wenig besser zu machen. Ich koche immer noch gerne Pasta. Tagliatelle al Ragu alla Bolognese gehört zu meinen Spezialitäten und zu meinen Lieblingsessen am „Pasta Montag“. Heute jedoch gibt es Spaghetti alla Carbonara. Zumindest im Geiste werden Peppone und Don Camillo mit am Tisch sitzen.

Saluti!

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An Jorge Luis Borges

An

Verehrter Meister,
lieber Borges,

wann immer ich mit einem Stapel Bücher aus einem Antiquariat komme, ihn, oft nach längerer Reise, auf meinem Schreibtisch ablege, muss ich an Eure Bibliothek von Babel denken. Meine wird langsam zu klein, ich stelle die Bücher jetzt voreinander. Eure hingegen war größer als das sichtbare Universum, hat man ausgerechnet. Eine Welt als Bibliothek aller möglichen Bücher.

Eure Bibliothek symbolisiert die Unendlichkeit, meine eine endliche Suche nach Wahrheit, nach Welten, nach Menschen, nach Schicksalen. Manchmal habe ich Schwierigkeiten, in meiner Bibliothek etwas zu finden. Zu viele Bücher werden gestapelt und irgendwie untergebracht. Mit viel Glück erinnere ich mich noch daran, wo.

Warum schreibe ich Euch gerade an Ostern, lieber Borges? In Eurer Erzählung findet sich ein Satz, über Sprache, ja über Literatur, der mich, seit ich ihn vor vielen Jahren in Mexiko las, nicht mehr los lässt. Auf Deutsch heißt er: „Niemand kann eine Silbe artikulieren, die nicht voller Zärtlichkeit und Schauer ist, die nicht in irgendeiner dieser Sprachen der gewaltige Name eines Gottes wäre.“
Ihr wart Agnostiker, Borges, mich berührt dieser Satz gerade an Ostern immer wieder.

Das Osterfest ist eine Zeit der Hoffnung, egal unter welchen Umständen es stattfindet. Die Umstände werden sich hoffentlich ändern, die unendliche Hoffnung dieses Festes jedoch bleibt.

In diesem Sinne: Felices Pascuas, verehrter Meister.

Und Euch/Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Osterfest.

 

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Unser Verlag

Arno Kerr: Tamars Schwestern

In sechs Tagen liegt „Tamars Schestern“, der zweite Roman, den ich über Kommissar Friedrich von Coes in Münster geschrieben habe, in den Buchhandlungen auf. Am 13. August werde ich mich zu einer Lesereise nach Westfalen aufmachen.

Die bisherigen Kritiken haben mich überrascht und auch stolz gemacht. Hier nur eine von vielen:

„Mit einem packenden Schreibstil treibt der Autor seine gut aufgebaute Geschichte voran und bietet am Ende eine absolut schlüssige Auflösung, die auch noch eine ziemlich gelungene finale Überraschung auf Lager hat. Actioneinlagen sucht man hier vergebens, das tolle Zusammenspiel der gut gezeichneten und vielschichtig angelegten Protagonisten in Haupt- und vermeintlichen Nebenrolle sorgt aber auch so für ausreichend Krimispannung, die keine Wünsche offenlässt. Fein dosierte Ausflüge in das Privatleben der Ermittler sorgen zudem immer wieder für eine gewisse Auflockerung der doch recht düster ausgefallenen Geschichte, die tief unter die Haut geht und noch länger nachhallt.

Ein grandioser Krimi, der eindrucksvoll zeigt, das Münster viel mehr zu bieten hat, als die üblichen TV-Schmunzel-Krimis a la Tatort und Wilsberg.“

Am 18. August 2020 werden wir das Buch ein im Pfarrzentrum Heilig Kreuz vorstellen.

Leseprobe

Video Lesung

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