Badelektüre

Baden Sie oder Duschen Sie?
Ich weiß, impertinent persönliche Frage. Also ich dusche nach dem Laufen oder Radeln. Ersteres geht, nach einem Bänderriss, sowie nur noch eingeschränkt. Jogtrott war nie so meine Sache. Man steigt erfrischt aus der Dusche und beginnt den Tag in der Hoffnung, er wird anregend, gefüllt mit tiefen oder zumindest heiteren Gesprächen und man kann ein paar Haken hinter Punkte auf diversen Listen setzen. Heutzutage ist es immer gut „divers“ mindestens einmal in einem Text unterzubringen.
Strandgut
Was aber, wenn sich der Tag als mit kaum bewegender Langeweile angefüllt erweist, wie ein marokkanisches Hotelzimmer mit flirrendem Staub in der untergehenden Sonne? Dann hilft nur ein Bad – sanft in den Fluten versinken, die Augen schließen, von im Wasser schwimmenden Rosenblättern und drei wunderschönen zirkassischen Sklavinnen träumen …
Gott bewahre! Der bloße Gedanke …
Zum einen bin ich wirklich glücklich verheiratet, zum anderen könnte einem die Erwähnung einer Sklavin im Jahr 2021 einen Shitstorm eintragen, gegen den der bei aufgeschönten Lebensläufen auftretende – so man ins Kanzlerinnenamt will – vermutlich ein laues Lüftchen ist.
Die Sache mit dem indischen Palast und den Rosenblüten funktioniert sowieso nur 90 Sekunden, spätestens dann brauche ich etwas zu lesen.
Lesen Sie im Bad?
Mich beschleicht immer die Angst ich könnte einschlafen, sprich Erstausgaben oder die wunderbaren Bleisatzbände von Enzensberger/Greno sind außen vor. Von „Nie Wieder“ habe ich extra ein „Normalexemplar“ antiquarisch erworben, das ich mit ins Bad nehme, denn ich gehe sehr gerne im Bad auf Reisen. Was kann es Schöneres geben, als wohlig im Bad zu liegen, während der staubige Reisende in einem heruntergekommenen Hotel in Sana vom Portiert mit „Jallah!“ (Verschwinde) begrüßt wird oder man mit dem Zug durch Patagonien dampft. Letzteres habe ich mir für dieses Leben noch in der Realität vorgenommen.
Auch Hemingway, Chirbes oder der wunderbare Mark Helprin bieten sich als Wannenbegleiter an. Die größte Gefahr ist, dass man sich festliest und an diesem Abend keine weitere Zeile an etwas Eigenem zu Papier bringt.
PS.: Das Bild stammt aus der Neuausgabe meines Gedichtbandes „Strandgut“, das ab morgen im Buchhandel erhältlich ist. Die Bilder sind geblieben, einige Gedichte wurde ausgetauscht bzw. ergänzt.

An Octavio Paz

Lieber Octavio Paz,

es ist mehr als dreißig Jahre her, dass ich in Eurer Heimat Mexico war. Das Land hat sich verändert. Es ist gewalttätiger geworden, Korruption und Kapitalismus halten einander die Hand, die Schönheit der Kultur, die Freundlichkeit der Menschen, eine grandiose Küche – das sei mir als Koch erlaubt zu sagen – verschwindet im Staub.

Euer Werk begleitet mich seit Jahrzehnten und war mir einst, gemeinsam mit Carlos Fuentes Roman La región más transparente ein Schlüssel zum Verständnis Mexicos. Ich weiß, Euer Essay El laberinto de la soledad gilt als ebenso wichtig, mich hat jedoch das Bild des Lichtes, jenes durchscheinenden Lichtes, dass man außerhalb des Smogs von Mexico Ciudad noch wahrnehmen kann, in den Bann gezogen. Ich fand es wieder in einem Vers Eures Gedichtes En Uxmal:

La hora es transparente:
vemos, si es invisible el pájaro,
el color de su canto.

Die Suche nach der Farbe des Gesanges, die Suche nach der Farbe von Musik fasziniert mich. Manche Menschen haben die Gabe der Synästhesie: sie können Töne als Farben wahrnehmen. Mir ist das nicht gegeben und doch verbinde ich Töne oft mit Farben und Bildern.

Der unsichtbare Vogel stellt für mich ein Sinnbild dar, für das, was ihr unserem von Rationalismus und dem vermeintlichen Bemühen Entwicklungen mit Hilfe von Verboten und Regeln zu verhindern entgegenstellt: Die Poesie.  Ihr seht in ihr die Chance eines Gegenentwurfs zu unserer beschränkten Sichtweise der Welt.

Kommend von einem Mann wie euch, verehrter Octavio Paz, einem umfassend gebildeten Polyhistor, macht es mir Mut weiter meinen eigenen Weg zu gehen und den Unsinn, der in den letzten Jahren main stream geworden ist, zu ignorieren.

Gracias.

#thomasmichaelglaw #poesie #mexico #octaviopaz #mediathoughtsverlag #literatur

Mehr über mich auf www.thomasmichaelglaw.com